Visual-Konzert

Dezember 2006: Visual-Konzert „Symbiosa“ Nr.1/06 Die Symbiose zwischen Bild und Musik; Licht, Farbe, Form und Musik als audio-visuelle Gesamterfahrung.
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Visual-Konzert „Dialog“ Nr.2/10

Die Symbiose von Musik und Bild

Das Bestreben, Musik und Bild einander näherzubringen, ist nicht neu;
schon 1734 hatte Louis Bertrand Castel – wie später auch Alexander Skrjabin -auf dem Farbenklavier einzelnen Tönen Farben zugeordnet. Besonders in den ersten Jahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts gab es von Raoul Hausmann, Alexander Laszlo und anderen zahlreiche Versuche einer auto-matischen Umsetzung von Musik in Farbe und Form. Am deutschen Bauhaus war es neben Oskar Schlemmer und Wassily Kandinsky vor allem Ludwig Hirschfeld-Mack, der mit seinen Farbenlichtspielen die Beziehungen zwischen Musik und Bild untersuchte. Er schreibt 1925 zu seinen Versuchen: „Jedenfalls haben wir in der Erkenntnis dieser Notwendigkeit bei einigen der Spiele eine mit ihnen verflochtene Musik in einfachen Rhythmen festgelegt. Lampen und Schablonen und die übrigen Hilfsmittel werden entsprechend der musikalischen Bewegung geführt, so dass die zeitliche Gliederung durch den akustischen Rhythmus eindeutig geklärt, die optischen Bewegungen, Entfaltungen, Zusammenziehungen, Überschneidungen, Steigerungen, Höhepunkte und Abklänge unterstrichen und gefördert werden. Wir glauben, mit den Farbenlichtspielen einer neuen Kunstgattung näherzukommen, die in ihrer starken physisch-psychischen Wirkung farbsinnliches und musikalisches Erleben in tiefen und reinen Spannungen auszulösen vermag.“ Soweit Hirschfeld-Mack.

Inzwischen ist die Entwicklung weitergegangen. Neben peinlichen Abstiegen in unsägliche Banalitäten oder Discogeflimmer haben neue Namen mit ernsthaften Ambitionen Pionierarbeit geleistet. Kurt Krantz, Manfred Kage, Jaap Drupsteen, Adrian Marthaler, Johannes Deutsch sind nur einige, die hier stellvertretend genannt werden sollen.

Seit 1969 widme ich mich der Zusammenführung von Musik und Bild (1) und gab dieser neuen künstlerischen Ausdrucksform die Bezeichnung „Visual-Konzert“. Ich verstehe darunter eine Symbiose bildnerischer und musikalischer Wirkphänomene in gesamtkünstlerischer Gleichrangigkeit. Dies ist nur zu erreichen, indem man die beiden Wahrnehmungsebenen Musik und Bild kompatibel macht. So wie man in der Mathematik nicht Äpfel und Birnen, oder sagen wir es etwas abstrakter, ungleiche Nenner addieren kann, so müssen wir auch bei der Addition von Musik und Bild zunächst den gemein- samen Nenner finden.

 

Bekanntlich ist alles was wir sehen, auf einer denkbaren Skala zwischen den beiden Polen Syntax und Semantik anzusiedeln. Syntax ist als das gestalte- rische Potential von Formen und Farben, die Semantik dagegen als die inhaltliche Aussage – beginnend bei der Abbildung eines Gegenstandes bis hin zu einer komplexen Bildgeschichte – zu verstehen. Es liegt nun in den physiologischen und psychologischen Eigenarten des Menschen begründet, dass seine Aufmerksamkeit von gegenständlich geprägten Teilen einer Gesamtdarstellung schnell und nachhaltig eingefangen wird, während syntaktisch dominierte Bereiche – selbst wenn sie erheblich größer sind – ihn weniger interessieren. Das ist auch der Grund dafür, dass in einem Film die konkrete (=syntaktische) Musik gegenüber einer semantisch geprägten visuellen Komponente leicht untergeht. Auch die hörbare Gestaltung, die Musik also, ist auf einer Skala zwischen zwei Polen – konkreter Musik einerseits und gegenstandsnaher Musik andererseits (Naturgeräusche, Programmmusik) platziert. Bei einem „Visual-Konzert“ mit dem Anspruch eines Gesamtkunstwerkes ist die absolute Kompatibilität von Musik und Bild zu fordern, was nur durch den gleichen Grad von Konkretheit bei beiden Komponenten erreicht werden kann.

Die starre Gewohnheit, beim Hören von Musik visuell nur den Herstellungs- prozess gezeigt zu bekommen, ist verständlich, weil über einen langen Zeitraum historisch gewachsen. Jetzt allerdings erlauben die elektronischen Medien endlich, Musik und Bild zu einer vollkommenen Symbiose zusammen- zuführen. Und eine weitere Voraussetzung musste erst erfüllt sein; nur durch die Entwicklung der ungegenständlichen Malerei und die Erforschung syntaktischer Gesetzmäßigkeiten ist es jetzt möglich, hörbare und sichtbare Zeitabläufe in Abstimmung miteinander zu gestalten und in einem Kunstwerk zu vereinen.(2)

Auf dieser Grundlage versuche ich, mit der visuellen Komponente meiner Visual-Konzerte dem „geistigen Gebäude“ der Musik so vollkommen wie möglich zu entsprechen. Material und Werkzeug – Elemente des „Machens“ also – halte ich weitgehend unsichtbar, zugunsten einer immateriellen und musikadäquaten Gestaltung von Licht und Zeit.

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Anmerkung (1)

Komposition „Visual-Konzert Nr.1″, 16 mm, 1971 Visual-Konzert-Studien (Schoenberg, Ligeti), 16 mm, 1979 Visual-Konzert-Studien (Honegger, Milhaud, Strawinsky, Ligeti), Video, 1983 Visual-Konzert „Ä“, live, 1988 Visual-Konzert-Studien „Mein audio-visuelles Skizzenbuch“, 1992 Visual-Konzert-Aufführungen ab 1972 in Hannover (Histor.Museum); München (Olymp.Spiele); Frankfurt (Alte Oper); Kairo (Kunstakademie); Peking (Kunstakademie); Mainz (Institut für Mediengestaltung) u.a.

Anmerkung (2)

Johannes Ludwig: Neue Formen der Musikpräsentation im Fernsehen, IMZ-Bulletin (Wien) S. 9 bis 13